Sektbereitung auf neuen Wegen – Sind wir reif für das Premiumsegment?

Vortrag von Norbert Breier, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück,
anlässlich der 58. Kreuznacher Wintertagung 2014

In den letzten Jahren, vor allem in 2011 ist der Import von Sektflaschen gestiegen! Ob Sekt, Prosecco spumante oder Champagner – im Jahr 2011 hat Deutschland in den ersten acht Monaten über 42 Mio. l Schaumwein im Wert von 205,9 Mio. Euro nach Deutschland importiert. Das entspricht einem Zuwachs von 5 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Von Januar bis August 2011 wurden die größten Mengen der prickelnden Weine aus Italien (17,8 Mio. l), Spanien (13,4 Mio. l) und Frankreich (10,5 Mio. l) eingeführt. Sieht man sich die Gesamttrinkweinbilanz von 2012/2013 an, so werden 20,2 Mio. hl getrunken, davon 3,2 Mio. hl Sekt. In der Produktion teilen sich die 20,2 Mio. hl auf in 0,3 Mio. hl Deutsche Grundweine und ca. 3 Mio. hl ausländische Sektgrundweine. Der Verbrauch pro Kopf liegt bei ca. 3,8 l (Abbildung 1: pro Kopf- Verbrauch in Liter). Dieser hat sich in den letzten 10 Jahren relativ konstant bei 3,8 l/Kopf eingependelt, nachdem er 1999 noch bei 4,9 l/Kopf gelegen hatte.


Abb. 1: Pro Kopf-Verbrauch in Liter



Abb. 2: Schaumwein: Entwicklung im LEH


Die Abbildung 2 zeigt den Schaumweinabsatz (TOP 10) im deutschen LEH von Januar bis August 2012. Es ist festzustellen, dass Rotkäppchen mit 61 Mio. Fl. die größten Marktanteile hat, gefolgt von Freixenet mit 14 Mio. Fl. Dieses Ergebnis hängt sicher auch mit der Präsens in der Werbung zusammen und überrascht keineswegs.

Unter den TOP 10 ist kein hochwertiger Champagner zu erkennen. In den Regalen des LEH nehmen diese Produkte aber zu.

Der Champagnerexport nach Deutschland ist von 2009 bis 2011 von 10,9 Mio auf 14,2 Mio. Flaschen angestiegen. Diese Zahlen zeigen, dass man sich mit diesem Produkt befasst und eine Nachfrage vorhanden ist. Gleichzeitig ist auch der Umsatz gestiegen auf 192 Mio. €. Weiterhin befassen sich in den letzten Jahren auch einige renommierte Weingüter mit der Produktion champagnerähnlicher Produkte. Hier steht eine klare Qualitätsphilosophie im Vordergrund.

Es ist festzustellen dass in vielen Betrieben neben dem Perlwein auch weiterhin der Sektverkauf eine gute und wieder größere Rolle spielt. Es erfolgt vor allem eine klare Abgrenzung dieser beiden Produktlinien im Hinblick auf Werbung und Preis. Die Sektgrundweinerzeugung nach dem traditionellen Verfahren hat sich in den Betrieben als Standard entwickelt. Nach dem Ausbau werden diese Grundweine in der Regel zur Lohnversektung weiter gegeben.



Abb. 3: Champager-Export nach Deutschland


Erfolgsgeschichte und Ursprung

Im Jahr 1978 wurden die ersten Versuche an der SLVA Oppenheim zur Sektbereitung/Winzersekt durchgeführt. Hintergrund war die 75-Jahr-Feier der Ehemaligenvereinigung (VEO) Hier sind wohl die Wurzeln der Erfolgsgeschichte von Winzersekten angesiedelt. Anschließend fand die 1. Sektprobe in der Turnhalle in Oppenheim statt, vor allem mit dem Hintergrund, welche Rebsorten sich zur Versektung eignen. Im Jahr 1981 folgte dann die Gründung der Erzeugergemeinschaft Winzersekt mit der Errichtung der ersten Betriebsanlagen in Bodenheim. Schon 1985 folgte die Umsiedlung nach Sprendlingen. Zehn Jahre später (1995) folgten die ersten Produktionen von Perlwein auch in Versuchen am DLR R-N-H in Oppenheim zusammen mit dem Sekthaus Raumland in Flörsheim-Dalsheim. Seit dieser Zeit sind die deutschen Perlweine mit wachsenden Absatzzahlen in den Betrieben etabliert.

Nach über 30 Jahren Deutscher Sekt (Winzersekt) kann man sagen, dass sich der Kreis geschlossen hat. Deshalb sind die Betriebe reif, für neue Wege zu gehen und Premiumsekte zu erzeugen!


Stilrichtungen für die Sektbereitung

Es können drei Stilrichtungen unterschieden werden:

I. Traditionelles Verfahren

Geeignete Rebsorten: z. B. Riesling, Scheurebe, Silvaner, Burgunder,…
Grundweinbereitung:

■ Gesundes, physiologisch reifes Lesegut, 75 bis 80 °Oe, ohne Fäulnis

■ Zügige, schonende Verarbeitung ( Maischestandzeit vermeiden)

■ Vorlauf, 1. Pressmost, (max. 65 bis 70 % Ausbeute, je nach Lesegutbeschaffenheit)

■ Mostvorklärung betriebsüblich (0,2 Gew % bzw. <100 NTU)

■ Anreicherung auf 10,5 bis max. 11,0 % vol Gesamtalkohol

■ Vergärung mit Reinzuchthefe (durchgären/max. 5 g/l Restzucker)

■ Anzustrebende Gärdauer: 8 bis 10 Tage (gezügelt und kontrolliert!)

■ Gärtemperatur max. 18 bis 20 °C

■ Kein biologischer Säureabbau!!


II. Cremant-Verfahren:

Folgende Kriterien sind festgelegt/vorgeschrieben:

■ 150 kg Trauben – 100 Liter Most (66 % Ausbeute)

■ Pressen von ganzen Trauben (GTP)

■ Höchstgehalt von 150 mg/l Gesamt SO2


Die gültige Landes-VO vom 14. August 1998 legte z. B. für jedes Anbaugebiet weitere Richtlinien fest:

■ z. B. Rebsorten der Nahe: Weißer Burgunder, Weißer Riesling, Ruländer, Grüner Silvaner, Dornfelder und Blauer Spätburgunder

■ Restzuckergehalt max. 20 g/l (extra trocken)

Wird die Bezeichnung Crémant gewählt, ist die Ganztraubenpressung (GTP) für die Traubenverarbeitung zwingend vorgeschrieben.

Werden die Parameter (Säure, pH-Wert, pektolytische Reife, ...) beachtet, so könnte die Bereitung von Sektgrundweinen nach Crémant für einige Betriebe eine Besonderheit darstellen. Es soll aber auch darauf hingewiesen werden, dass die Verarbeitung (Handlese, Pressung von „Ganzen Trauben“, Aufschüttkapazität), für viele Betriebe sich als sehr problematisch darstellt und nur bedingt umgesetzt werden kann. Deshalb ist die Bezeichnung Cremant nur bei sehr wenigen Weingütern anzutreffen.


III. „Francophil“

Geeignet z. B. für Burgunder-, Cuvee, Riesling, Silvaner

Grundweinbereitung siehe Ablauf-Schema traditionell evtl. mit Handlese und GTP. Im Anschluss an die Vergärung, die bei dieser Verfahrensweise auch als Spontangärung möglich sein kann, erfolgt direkt die Einleitung des Biologischen Säureabbaus (BSA).

Der Abstich und die Schwefelung erfolgt in Abhängigkeit vom BSA-Ende. Die SO2-Gabe sollte bei dieser Stilrichtung moderat erfolgen (ca. 15 bis 20 mg/l freie SO2). Ein oxydativer Ausbau auf der Feinhefe bis kurz vor der Füllung ist vom gewünschten Produkttyp abhängig. Auch über den Einsatz von Holz (Barrique) oder Chips kann nachgedacht werden.

Auf den Agrartagen Rheinhessen 2008 in Nieder- Olm wurden mit der Überschrift: „Winzersekt – reif für das Luxussegment“ einige Beispiele gezeigt, die eine andere Ausbau- und Stilrichtung verfolgen und damit Konsumenten ansprechen, die etwas „Besonderes, Anderes“ wollen. Diese Sekte (z. T. Champagner) wurden von den Probanden noch sehr kontrovers diskutiert, vor allem wegen der „leicht oxydativen, brotigen, hefigen“ Note. In den letzten beiden Jahren ist ein solcher Trend zu höherwertigen Produkten in einigen Betrieben festzustellen. Mittlerweile beschäftigen sich einige Betriebe mit dieser Ausbaustistik.


Champagner

Die Champagne zeigt, wie man sich klar abheben und profilieren kann. Festgelegte Rebsorten (nur drei), Cuvee`s, Ausbaustile und Vermarktungsrichtlinien geben einen klaren Rahmen vor.

Rebsorten und Merkmale in der Champagne:
    39 % Pinot Noir
    33 % Pinot Meunier
    28 % Chardonnay

■ Klassische Cuvee aus blauen und weißen Trauben

■ Blanc de Blancs (nur Chardonnay) z. T. in kleinen Holzfässern ausgebaut

■ Blancs de Noirs (Pinot Noir und Pinot Meunier)

■ Rose-Champagner

■ Großteil mit einer Dosage von 10 g/l

■ Ausgefallene Champagner extra brut, kleiner 5 g/l

■ Oftmals keine Jahrgangsangabe

■ Jahrgangschampagner fast 5 Jahre auf der Hefe – zusätzliche Facetten

Was ist das Besondere an dieser Ausbaurichtung, und wie wird es bewertet? Wird es bereits umgesetzt? Nachfolgendes Beispiel zeigt Möglichkeiten auf, Sekte im gehobenen Segment auszubauen.
Ein Vorreiter und Vordenker ist das Sekthaus Raumland in Flörsheim-Dalsheim. Eine klar definierte und umgesetzte Qualitätsphilosophie, lässt bei seinen Sekten Vergleiche mit Champagner zu.

Bedingungen:

■ selektive Handlese

■ 100 % gesundes Lesegut

■ schnelle Verarbeitung

■ schonende Ganztraubenpressung mit klarer Trennung der Pressfraktionen

■ lange Gärung bei kühlen Temperaturen

■ BSA-Einleitung bei Burgundersorten aber auch bei Riesling

Nachfolgend zeigen einige Anmerkungen und positive Kritiken die Möglichkeiten im Premiumsegment. Es ist interessant, sich mit diesem Thema zu befassen und einige dieser Sekte zu probieren.

Platz 1 im Gault Millau 2009 – Bester Sekt Deutschlands

Aktuell – Gault Millau 2013: Chardonnay Prestige
2002er Sekt mit 95 Punkten. „Was Raumland uns diesmal zeigte, ist wieder eine aufregende Palette an stilvollen Sekten, die uns ins Schwärmen geraten lässt!“

2004er Triumvirat Grand Cuvee – Nachfolger ist der Triumvirat VII „Ein äußerst feines Tröpfchen ist der Raumland V. Triumvirat geworden. Den Vergleich mit exzellenten Champagnern braucht auch dieser Triumvirat keineswegs zu scheuen. Das fruchtige und würzige Aroma des trockenen Sekts aus der Einzellage Dalsheimer Bürgel überzeugt jeden Kenner. Gekeltert aus Spätburgunder (Pinot Noir), Chardonnay und Schwarzriesling (Pinot Meunier) zeigt sich beim Triumvirat V eine deutliche Mineralität. Im Gesamteindruck ist der Sekt aus dem Sekthaus Raumland sehr trocken mit lebhafter Säure.

Der Gault Millau vergab an den Spitzensekt 92 Punkte. Eichelmann vergab an den 5. Triumvirat stolze 91 Punkte und schreibt: „Ohne Dosage und Schwefel. Also doch kein Teufelswerk sondern himmlisch lecker. Faszinierend eindringlich und konzentriert, enorm dominant, kraftvoll, füllig, viel Substanz, feine rauchige Noten im Hintergrund, enorm lang und nachhaltig.“

Mit dem typischen Champagner-Duft und Geschmack nach reifen südländischen Früchten. Die Perlage präsentiert sich sehr harmonisch. Ein Gesamtkunstwerk, das in Deutschland konkurrenzlos ist.

Wir können froh und stolz sein, ähnlich wie es Betriebe in der Weinproduktion gibt, einen solchen ausgeprägten Experten und Sektspezialisten zu haben, der sich mit den französischen Sekten und Sektspezialisten messen kann. Dieses Image wirkt positiv auf viele andere Betriebe und Sekterzeuger und gibt Ideen und Stimmungen weiter.

Auch die Werbung im LEH zeigt, dass die Marke Champagner mit Preisen bis zu 145,90 € wirbt und auch angenommen wird. Angesprochen werden aber auch Marken von 20 €/Fl. bis 40 €/Fl. Aus diesen Gegebenheiten könnte sich die Frage einer Qualitätspyramide für Sekt stellen.



Abb. 4: Qualitätspyramide Sekt


Die Abbildung 4 zeigt das mögliche Beispiel einer Qualitätspyramide für den Sektbereich. Der Regionaltyp „Deutsch“ könnte als Einstiegssekt bezeichnet werden. Im mittleren bzw. auch gehobenen Segment sind die Cremant-Sekte angesiedelt. Die Ganztraubenpressung (GTP) erzeugt schlanke und geradlinige Sekte mit einem eher zurückhaltenden Profil. Über diesen beiden Segmenten kann dann an der Spitze ein anderer Ausbaustil mit den Attributen: Francophil mit Holz, BSA, wenig oder kaum SO2, langes Hefelager, Cuveebildung stehen.

Folgende Analysedaten zeigen die Besonderheiten dieses Ausbaus von „champagnerähnlichen“ Sekten. Variante 1 bildet den Regionaltyp/Deutsch ab. Restzucker/Säure-Verhältnis von 1 zu 1 und eine Stabilität in der SO2 mit 30 mg/l freie. Die Variante 2 zeigt den „veränderten“ Ausbau. Niedrige Säurewerte mit geringem Restzuckergehalt im extra brut Bereich. Aber das Besondere ist die niedrige SO2-Einstellung bzw. keine
SO2-Zugabe. Oft ist hier ein Biologischer Säureabbau gelaufen.




Fazit:

Sektbereitung auf neuen Wegen – Sind wir reif für das Premiumsegment?

Diese Frage ist klar mit ja zu beantworten.

Wir sind reif für das Premiumsegment!

Winzersekte haben ihren Stellenwert, auch wenn der Pro-Kopf-Verbrauch auf 3,8 Liter gesunken ist.
Die Winzer und der (Winzer)Sekt sind reif für das Luxussegment!!




Stilrichtung Champagner ist sicher noch ungewöhnlich hält aber vermehrt Einzug in die Betriebe:

Ob ein Sekt perfekt gereift oder schlicht und einfach alt (oxydativ) schmeckt, das ist eine Frage des persönlichen Geschmacks!


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