Quelle:Trierischer Volksfreund
Erscheinungsdatum:08/17/2004

Titel: Drieschen-Rodung kostet Geld
Drieschen-Rodung kostet Geld


Schwarzfäule und Drieschen: TV-Interview mit Hubert Friedrich, Leiter des Dienstleistungszentrum Mosel (DLR)


Die Redakteurin des Trierischen Volksfreunds, Sonja Sünnen, im Gespräch mit dem Leiter des DLR Mosel, Hubert Friedrich.


Bericht im TV vom 17.08.2004


BERNKASTEL-KUES. Verwilderte Weinberge, die Drieschen, werden im Zusammenhang mit der Schwarzfäule als Infektionsherde und Gefahrenquelle genannt und die Rodung gefordert. Über das Thema sprach der TV mit Hubert Friedrich vom DLR.

Sehen Sie die Forderung nach sofortiger Rodung auch als die beste Vorgehensweise, oder macht man es sich zu einfach wenn man den Drieschen den "Schwarzen Peter" in Sachen Schwarzfäule zuschreibt?

Hubert Friedrich: Nach meiner Definition sind Brachflächen ehemalige Rebflächen, die - meist mit staatlicher Förderung - ordnungsgemä ß gerodet worden sind. Drieschen sind Rebflächen, bei denen die Nutzung einfach aufgegebenwurde und die verwilderten Rebenstehen bleiben. Drieschen warenimmer schon eine Gefahrenquelle.Durch die Schwarzfäule ist jetzteine neue Dimension entstanden.Bedauerlich ist, dass gerade die Ö kobetriebe am stärksten betroffen sind, weil hier die notwendigen Pflanzenschutzmittel fehlen. Unsere Warnungen aus früheren Jahren hat man nicht immer ganz ernst genommen. Nun sind viele sehr direkt betroffen, das Bewusstsein ist gestiegen. Unser Ziel ist es, dass Drieschen erst gar nicht entstehen, sondern dass die Rückzugsflächen systematisch gerodet werden - bei Erhaltung einer geschlossenen Weinbaulandschaft

Warum überhaupt werden die "verwilderten" Weinberge nicht konsequent gerodet, und warum ist die Brandrodung an der Mosel tabu? Wäre sie jetzt eine sinnvolle Maßnahme?

Friedrich: Die Rodung kostet Geld und Arbeit. Ältere Winzer können oder wollen das nicht leisten. Die Rodungsförderung beginnt erst bei Flächen, die größer als zehn Ar sind. Die Parzellen an der Mosel sind aber oft viel kleiner. Zur Lösung schlagen wir vor, dass dann die Rodung über die Gemeinde organisiert wird. Brandrodung wäre aus meiner Sicht schon möglich, allerdings nur bei größeren zusammenhängenden Flächen. Brandrodung ist aber nur eine Nachbesserung eines Problems. Wir wollen aber, dass die Drieschen gar nicht entstehen.

Minister Hans-Artur Bauckhage hat gesagt, die Drieschen-Verordnung biete hinreichenden Schutz. Welchen Standpunkt vertreten Sie?

Friedrich: Die Drieschenverordnung reicht aus meiner Sicht aus.Bitte bedenken Sie, dass wir es mitPrivateigentum zu tun haben, dasdurch unsere Verfassung geschützt ist. Weitergehende Forderungen,wie sie gelegentlich von Winzerngeäuß ert werden, halte ich rechtlich nicht für umsetzbar. Michärgert immer der Ruf nach Gesetz und Staat. Die Winzer selbst und auch die Weinbaugemeinden haben eine Verantwortung, und ich meine auch eine Mitwirkungspflicht.

Welche Alternativen gibt es zur Rodung der Brachen, immerhin geht es um eine Kulturlandschaft, die das Bild der Region prägt. Ist die Flächenpflege durch Ziegen sinnvoll und praktikabel?

Friedrich: Der erste Schritt muss die Zusammenfassung der Brachflächen und die ordnungsgemäße Stilllegung sein. Im zweiten Schritt kann man sich um Folgenutzungen kümmern. Folgenutzungen bedeuten aber immer, es muss ein Träger und Geld da sein. In unserem Konzept, dass wir im Herbst 2004 vorstellen werden,gibt es einige Vorschläge für Folgenutzungen. Die Beweidung mit Ziegen ist eine davon. Aber auch das muss organisiert werden.

Wenn man sich nun vorstellt, alle Drieschen seien gerodet, hätte man damit die Schwarzfäule in den Griff bekommen?

Friedrich: Die Beseitigung der Infektionsherde wäre schon ein wichtiger erster Schritt. Weitere müssen folgen. Zum Beispiel darf Traubentrester aus infizierten Anlagen nicht wieder in die Weinberge verbracht werden.

Wie realistisch ist die Hoffnung, dass es bald ein zugelassenes Spritzmittel gegen Schwarzfäule gibt?

Friedrich: Das können wir derzeit nicht abschätzen. Die Erfahrungen zeigen, dass die Entwicklungen bei der chemischen Industrie dann schneller laufen, wenn mehr Käufer beziehungsweise Abnehmer zu erwarten sind. Dies scheintja derzeit - leider - der Fall zu sein.

Welche Prognose geben Sie für die Ernte/Lese 2004 vor dem Hintergrund der Schwarzfäule?

Friedrich: Prognosen sind sehr schwierig. Ein Sprichwort der Winzer sagt, man kann eine Prognose dann abgeben, wenn der Wein im Keller liegt. Das Ergebnis 2004 wird von vielen Faktoren abhängig sein, die sich auch wechselseitig beeinflussen. Hinzu kommt, dass die Gemarkungen und selbst die Betriebe in den Gemarkungen sehr unterschiedlich betroffen sind - je nachdem, wann die letzten Pflanzenschutzmittel ausgebracht worden sind. Es wäre zwar möglich, eine Durchschnittszahl zu nennen, diese Zahl wäre aus meiner Sicht wenig aussagefähig und zusätzlich eher schädlich für das Image des Moselweinbaus.

Hintergrund:

Zu den Brachflächen und Driescheninformiert die DLR Mosel deren Aufgabe es ist, die Weinbaugemeinden im Strukturwandel zu begleiten: 1995/1996 hat das damalige Kulturamt Bernkastel-Kues in Sachen Entwicklung der Rebflächen im Anbaugebiet Mosel-Saar Ruwer einen Flächenrückgang von 30 Prozent bis 2010 prognostiziert Heute sagt die DLR, dass de Rü ckzug noch viel stärker eingetroffen sei. Während in den 80e Jahren über 12 000 Hektar bestockt waren, seien es jetzt unter 9000 Hektar. Es gebe Prognosen, die von 7000 Hektar im Jahr 2010 ausgehen.

Folgen sind ordnungsgemäß gerodete Brachflächen oder, wenn die Reben stehen bleiben, so genannte Drieschen, von denen ein enorme Schä dlingsdruck ausgeht. In diesem Jahr hat das durch die Schwarzfäule eine neue Dimension erhalten. Es gibt laut DLR Gemeinden mit sehr wenig Brachflä ;chen - andere, wie Reil, sind mit einem Rückgang von 50 Prozent betroffen.Die Auswirkungen auf die Kulturlandschaft und den Tourismus treffen aber alle, so die DLR.

Der Strukturwandel im Weinbau und die Aufgabe der Bewirtschaftung werde zwar von allen wahrgenommen, die Maßnahmen fielen aber eher bescheiden aus. Ohne die Mitarbeit der Winzer könne der Strukturwandel nicht erfolgreich begleitet werden. Erfreulich sei, dass in einigen Gemeinden die Winzer mit der DLR Konzepte entwickelten und auch umsetzten. Oberstes Ziel sei, eine mö glichst arrondierte Fläche in der Weinbaunutzung zu erhalten und für die Bracheflächen einen "geordneten Rückzug" zu organisieren. Der erste Erfolgsschritt sei erreicht, wenn die aufgegebenen Weinberge zusammenhängend gerodet würden, dann gehe es um die Folgenutzungen. Im Herbst will die DLR Mosel eine Konzeption mit verschiedenen Modulen zum Brachflächenmanagement vorstellen. In ausgewählten Gemeinden soll die Praxistauglichkeit getestet werden.